23. September 2025
Die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens steckt in einer tiefen Krise, die nicht nur den Verlust zehntausender Arbeitsplätze bedeutet, sondern auch tiefe Strukturbrüche, Deindustrialisierung und Wohlstandsverluste nach sich zieht. Im August hat die Zahl der Arbeitslosen bundesweit zum ersten Mal seit zehn Jahren die symbolträchtige Schwelle von drei Millionen überschritten. Allein in NRW liegt die Zahl erstmal seit April 2010 wieder über 800.000.
Viele Betriebe in NRW haben bereits Stellen abgebaut: 7.000 Jobs bei Evonik, 1.000 beim Zulieferer ZF, 900 Stellen bei Kostal, 700 bei Miele, 500 bei Flender, 420 bei Hella, 300 bei Vaillant, 230 bei Hülsta. Besonders betroffen sind Industrie und produzierendes Gewerbe. Allein in der Metall- und Elektroindustrie sind deutschlandweit im laufenden Jahr schon 60.000 Industriearbeitsplätze abgebaut worden.
Ministerpräsident Wüst erklärte noch im Juli: „Nordrhein-Westfalen ist das wirtschaftliche Kraftzentrum Europas.“ Dabei verkünden neben Thyssenkrupp, Bayer und Ford immer mehr große, mittelständische und kleine Unternehmen Arbeitsplatzabbau, Kurzarbeit oder sogar Schließung.
Für eine aktive Standortpolitik für Industrie und Arbeitsplätze
Die Zeit des Zuschauens ist vorbei. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte in NRW müssen jetzt aktiv verbessert werden. Wenn viele tausend Menschen ihren Job verlieren und gleichzeitig weiterhin Fachkräftemangel herrscht, gibt es ein erhebliches Passungsproblem, das insbesondere durch Qualifizierung, aber auch durch Inklusion und Verbesserung der Frauenerwerbsquote angegangen werden muss.
Ein starker Industriestandort ist die Grundlage für jede sozial-ökologische Transformation, erwirtschaftet den Wohlstand der Zukunft und schafft Spielräume für öffentliche Haushalte sowie für Verteilungsgerechtigkeit. Die Industrie in Nordrhein-Westfalen hat im internationalen Wettbewerb nur eine Zukunft, wenn sie die Transformation zur Klimaneutralität annimmt und gestaltet – mit politischer Unterstützung. Dann können auch wieder Wettbewerbsvorteile erzielt werden.
Effiziente Schwertransporte für eine starke Wirtschaft und eine gelingende Energiewende
Knapp 1.000 Brücken in NRW können nicht mehr von Schwertransporten passiert wer-den und müssen teils enorme Umwege in Kauf nehmen. Das macht deutlich, wie wichtig einerseits die Sanierung der Bauwerke ist, gleichzeitig müssen aber auch die Streckenfindung und Genehmigungsverfahren dringend vereinfacht und beschleunigt werden, wobei auch die Potenziale von Schiene und Wasserstraße gestärkt werden müssen. Wir fordern einen branchenübergreifenden „Runden Tisch Großraum- und Schwertransporte NRW“ einzurichten, an dem Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunen, Forschung und Verwaltung gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen für ein beschleunigtes, digitalisiertes und zukunftsfestes Genehmigungswesen entwickeln. Das Konzept vorab definierter Transportrouten – so genannte „Mikrokorridore“ – wollen wir landesweit auszuweiten, insbesondere für standardisierte Transporte, wie sie beim Windenergieausbau oder im Maschinenbau vorkommen. Dann kann man auch automatisierte Freigaben erteilen.
Frauenpower statt Fachkräftemangel
Die schwarz-grüne Landesregierung verschläft das größte ungenutzte Potential unseres Arbeitsmarktes: Frauen. In NRW arbeitet fast die Hälfte aller Frauen in Teilzeit – viele unterhalb ihrer Qualifikation oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Statt nur über Fachkräftemangel zu klagen, braucht es endlich eine echte Fachkräfteoffensive für Frauen. Wir fordern deshalb eine kraftvolle und ressortübergreifende Strategie mit klaren Zielen und verbindlichen Maßnahmen. Zunächst soll eine eigenständige Strategie mit dem Titel „Fachkräftepotenzial Frauen NRW“ entwickelt werden, die ressortübergreifend alle relevanten Landesbereiche einbindet. Parallel dazu soll ein breites Aktionsbündnis unter dem Namen „Frauen in Arbeit – NRW gewinnt“ ins Leben gerufen werden, das Kammern, Unternehmen, Gewerkschaften, Hochschulen und Kommunen miteinander vernetzt.
Bedingungen für die Chemieregion Europas verbessern
Der Maschinenraum des Wohlstands in NRW, die Industrie, steht aktuell im Feuer. Tausende Stellen werden abgebaut, Produktionsstandorte geschlossen. Doch die schwarz-grüne Landesregierung versagt nicht nur als Feuerwehr, sondern auch bei der Arbeit an zukunftsfähigen Standortbedingen für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. NRW ist Europas Chemieregion Nummer eins und die SPD-Fraktion setzt sich dafür ein, dass dies auch eine Zukunft hat, in der jetzigen schwierigen Wirtschaftslage wie auch in einer klimafreundlichen Zukunft. Die Grundstoff-industrie ist Basis vieler nachgelagerter Wirtschaftsbranchen und damit Wohlstandsmotor im Land. Die Branche muss entlastet werden und wieder neue Innovationskraft entfalten. Daher muss auch das Land eine aktive Wirtschaftspolitik ergreifen und die Standortfaktoren verbessern: Günstigere und sichere Energieversorgung ermöglichen, Innovationskraft durch Forschung und Entwicklung stärken, Flächen bereitstellen auch für neue Energieinfrastruktur für Wasserstoff und zur CO2-Nutzung.
Mehr Vertrauen in unsere Pflegekräfte
Die Pflege in NRW steht am Limit. Insolvenzen von Pflegediensten, steigende Eigenanteile, überlastete Angehörige – und die Landesregierung feiert sich für Ankündigungen. Dabei leisten Pflegekräfte Tag für Tag einen unverzichtbaren Job für die Gesellschaft – und was bekommen sie? Mehr Papierkram statt mehr Zeit für Menschen. Es ist beschämend, dass ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Bürokratie draufgeht. Wir wollen das ändern: weniger Formulare, mehr Vertrauen, mehr digitale Unterstützung, die wirklich entlastet. Deshalb fordern wir eine landesweite Strategie zur Bürokratieentlastung und einen Gipfel zur Entbürokratisierung in der Pflege. Dort müssen alle relevanten Akteure gemeinsam Lösungen entwickeln. Wir brauchen jetzt eine Offensive für Entbürokratisierung und Digitalisierung in der Pflege, die nicht neue Hürden schafft, sondern echte Hilfe bringt. Dazu gehört: Doppelprüfungen von Medizinischem Dienst und Heimaufsicht abschaffen, Prüfintervalle auf zwei Jahre verlängern, landesrechtliche vereinfachen. Außerdem können sprachgestützte KI-Systeme Pflegekräfte massiv entlasten. Damit das alles möglich ist, fordern wir einen Innovationsfonds Bürokratieabbau Pflege.“
Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis 2030 möglich machen
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt viele Eltern – insbesondere Mütter – in Nordrhein-Westfalen vor große Herausforderungen. Selbst wenn Paare Elternzeit, Care-Arbeit inkl. Haushalt und Erwerbsarbeit partnerschaftlich aufteilen wollen, ist dies in der Umsetzung oft nicht möglich. Das liegt vor allem an schlechten Rahmenbedingungen: Das mangelhafte Angebot an Kitaplätzen inklusive fehlender Not- und Ferienbetreuung drängt Eltern – und insbesondere Frauen – in die Teilzeit mit den entsprechenden Konsequenzen. Im Antrag „NRW muss funktionieren: Echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis 2030 möglich machen“ fordern wir eine verbindliche NRW-Agenda, die auch eine Equal-Share-Prämie beinhaltet: Zur Förderung der partnerschaftlichen Aufteilung der Elternzeit soll es eine monatliche Prämie in Höhe von 300 Euro für die Eltern geben, die sie gleichberechtigt aufteilen.
Menschen mit Behinderung wollen nicht mehr warten – Es ist jetzt Zeit für echte Teilhabe am Arbeitsmarkt
Fast zwei Millionen Menschen mit Schwerbehinderung leben in NRW – und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind nach wie vor deutlich schlechter als die ihrer Mitmenschen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14 Prozent und sie suchen im Schnitt 438 Tage nach einem neuen Job – 113 Tage länger als Menschen ohne Beeinträchtigung. Auch die Beschäftigungsquote in Unternehmen liegt mit 4,94 Prozent unter der gesetzlichen Fünf-Prozent-Vorgabe. Das ist nicht hinnehmbar. Es ist an der Zeit für echte Inklusion auf dem Arbeitsmarkt. Dazu gehört u.a. der Ausbau von Weiterbildungsangeboten und Teilqualifizierungen, die Förderung von Inklusionsbetrieben sowie die Stärkung von Projekten wie KAoA-STAR für junge Menschen mit Inklusionsbedarf.
Mehr Anerkennung für die Beschäftigten in Kita und OGS
Ohne verlässliche Kitas und Offene Ganztagsschulen fehlen Eltern auf dem Arbeitsmarkt gänzlich oder stehen nur eingeschränkt zur Verfügung. Erst wenn Kitas und OGS ausreichend vorhanden sind und funktionieren, haben alle Mütter und Väter auch die Chance, verlässlich arbeiten zu können und zum prosperierenden Wirtschaftsstandort NRW beizutragen. Damit dies geschehen kann, benötigt NRW einen weiteren Ausbau der frühkindlichen Bildung und der OGS. Wir brauchen eine Platzgarantie in der Kita und daher die verstärkte Ausbildung neuer Fachkräfte in den Erziehungsberufen, auch um die krankheitsbedingten Ausfälle und die inzwischen landesweit über 17.000 einschränkenden Maßnahmen in den Kitas reduzieren zu können.
Flächenrecycling bereitet den Boden für Wirtschaftswachstum und neue Jobs
Würden wir alle uns bekannten Brachen in Nordrhein-Westfalen bebauen, hätten wir eine Fläche so groß wie die Stadt Marl zu Verfügung. Mehr als 8800 Hektar Brachen hat die Landesregierung nämlich bereits im vergangenen Jahr erfasst. Damals war aber das Ruhrgebiet noch nicht kartiert. Die Gesamtübersicht über alle Brachen in NRW kommt dieses Jahr – und schon jetzt ist klar: Das Potential ist riesig. Die Landesregierung hat also eine Datenbasis – und macht aus dieser Erkenntnis trotzdem nichts. Neue Wohnungen, Platz für Betriebe, Verkehrswege – all das sind völlig berechtigte Interessen an unserem Boden. Doch die Fläche ist begrenzt, sodass Nutzungskonflikte auf dem gegenwärtigen Pfad vorprogrammiert sind. Deshalb müssen wir auch im Sinne nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolgs jetzt Brachen in großem Stil wieder nutzbar machen.
SPD Landtagsfraktion
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